Anfrage: Zusammenarbeit von Behörden mit DITIB
Kleine Anfrage von Dr. Rainer Balzer und Thomas Palka zur Zusammenarbeit von Behörden mit der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB).
Der Presse war zu entnehmen (Badische Neueste Nachrichten vom 6. September 2016), das Land Nordrhein-Westfalen habe seine Kooperation mit DITIB, dem größten Islam-Dachverband in Deutschland, beendet. Grund sei ein Comic der türkischen Religionsbehörde (Diyanet) gewesen, in dem der Märtyrertod für Allah gegenüber Kindern verherrlicht worden sei. Die DITIB sei der Diyanet unterstellt und habe sich von diesem Comic nicht distanziert. Die DITIB steht in verschiedenen Städten, darunter auch Heilbronn, hinter Plänen für eine Großmoschee.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 Nr. 3-1269/129 (veröffentlicht am 14. Oktober 2016) beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, dem Ministerium für Soziales und Integration, dem Ministerium der Justiz und für Europa sowie der Landeszentrale für politische Bildung die Kleine Anfrage wie folgt:
1. Welche öffentlichen oder halböffentlichen Behörden, Institutionen, Einrichtungen, Vereine oder sonstige Körperschaften kooperieren in Baden-Württemberg – jeweils in welcher Weise – nach ihrer Kenntnis mit der DITIB?
Seit 2015 ist im Innenministerium das Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus (KPEBW) angesiedelt. Dem Fachbeirat des KPEBW gehören auch Vertreterinnen und Vertreter der DITIB Jugend Baden, DITIB Jugend Württemberg und DITIB Bund der Muslimischen Frauen an.
Im Geschäftsbereich des Kultusministeriums gehört ein Vertreter von DITIB dem Projektbeirat des Modellprojekts „Islamischer Religionsunterricht sunnitischer Prägung“ an.
In den Justizvollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg sind zum Teil Imame aus Moscheegemeinden tätig, die mit DITIB zusammenarbeiten. Aufgrund von landesweiten Erhebungen sind dem Justizministerium die Namen der Imame und die betreffenden Justizvollzugsanstalten bekannt. Die Imame halten dort islamische Gottesdienste ab, bieten Gesprächsgruppen mit religiösen Inhalten an und kümmern sich um seelsorgerische Anliegen einzelner Gefangener, die sich zum Islam bekennen.
Das ehemalige Ministerium für Integration hatte Vertreter der beiden DITIB-Landesverbände regelmäßig zu den Sitzungen des Runden Tischs Islam eingeladen, der zwischen 2011 und 2016 neun Mal tagte. Vertreter der DITIB waren darüber hinaus auch bei Fachtagen vertreten, die das ehemalige Ministerium für Integration gemeinsam mit Fachberatungsstellen zur Bekämpfung von Zwangsverheiratung 2013 und 2015 organisiert und durchgeführt hat. Innerhalb des Ehrenamtswettbewerbs „Echt gut!“ des ehemaligen Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren war in den Jahren 2013 und 2014 ein Mitglied aus dem Vorstand des DITIB-Landesjugendverbands Württemberg Jurymitglied in der Kategorie „Eine Welt im Ländle“.
Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg kooperiert in einzelnen Fällen, u. a. in Form von Moschee-Besuchen, mit der DITIB.
2. Gibt es Projekte, Initiativen oder ähnliche Zusammenschlüsse, an denen die DITIB beteiligt ist und die finanzielle Zuschüsse vom Land erhalten?
Ob Projekte, Initiativen oder ähnliche Zusammenschlüsse, die Zuschüsse aus dem Landeshaushalt erhalten, Verbindungen zu DITIB unterhalten, ist der Landesregierung nicht bekannt. Eine derartige Abfrage wäre unzulässig. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Drucksache 16/405 verwiesen [Drucksache 16/405]. Die Landesjugendverbände Baden und Württemberg der DITIB wurden in das Förderprogramm zum „Strukturaufbau neuer Jugendverbände“, das vom Landesjugendring Baden-Württemberg e. V. im Rahmen des „Zukunftsplan Jugend“ umgesetzt wird, aufgenommen und erhalten darüber finanzielle Zuschüsse.
3. Plant sie, die Zusammenarbeit mit der DITIB auf jeder Ebene zu beenden?
Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in der Türkei wird die weitere Zusammenarbeit geprüft.
4. Sind ihr – außer Karlsruhe – weitere Kommunen bekannt, in denen die DITIB hinter Bauplänen für Moscheen steht?
Der Landesregierung sind folgende Kommunen bekannt, in denen Vereine, die der DITIB zuzurechnen sind, Bauvorhaben in jeweils unterschiedlich fortgeschrittenem Stadium voranbringen möchten: Backnang, Bopfingen, Esslingen am Neckar, Heilbronn, Lahr, Meßkirch, Munderkingen, Stuttgart und Vöhringen.
5. Ist ihr bekannt, welche Moscheen in Baden-Württemberg von der DITIB unterhalten und betrieben werden?
Die Polizei unterhält im Sinne des Präventionsprogramms „Polizei und Muslime“ strukturierte Kontakte zu 695 muslimisch geprägten Organisationen in Baden-Württemberg (Stand Ende 2015), wovon 159 (entspricht 22,9 %) der DITIB zuzurechnen sind. Ob es sich hierbei jeweils um Moscheen handelt, also ob alle diese Organisationen Gebetsräume vorhalten oder ob es noch weitere der DITIB zugehörige Organisationen oder Gebetsräume gibt, ist nicht bekannt.
6. Hat sie Kenntnis darüber, in welcher Art und Weise die DITIB von der Diyanet – der türkischen Religionsbehörde – finanziell abhängig und weisungsgebunden ist?
Die Landesregierung hat Kenntnis, dass in Moscheegemeinden, die der DITIB zuzurechnen sind, Imame tätig sind, die von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandt und von dort bezahlt werden. Ferner ist bekannt, dass Vertreter türkischer Behörden in den Organen der DITIB vertreten sind. Inwieweit die DITIB von der Diyanet finanziell abhängig bzw. ihr gegenüber weisungsgebunden ist, kann nicht bewertet werden.
7. Wie stellt sich nach ihrer Kenntnis der Aufbau der Organisation DITIB in Baden-Württemberg dar?
Im Land Baden-Württemberg existieren zwei Landesverbände der DITIB. Dabei handelt es sich um den DITIB-Landesverband Baden e. V. mit Sitz in Karlsruhe und den DITIB-Landesverband Württemberg e. V. mit Sitz in Stuttgart. Deren Vorstände setzen sich jeweils aus dem Vorstandsvorsitzenden und einer bzw. zwei Stellvertretungen zusammen. Hinzu kommen jeweils Jugend-, Frauen- und Elternverbandsvorsitzende.
Dem DITIB-Landesjugendverband Württemberg e. V. haben sich nach eigenen Angaben insgesamt 92 Jugendgruppen und dem DITIB-Landesjugendverband Baden 62 Jugendgruppen angeschlossen. Der DITIB-Landesfrauenverband Baden e. V. vertritt eigenen Angaben zufolge über 60 Moscheegemeinden in Baden.
8. Ist ihr bekannt, ob die Personen in den Führungsgremien der DITIB in Baden-Württemberg Mitglieder der Diyanet sind?
Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.
9. Welche islamischen Organisationen, Vereine oder vergleichbare Einrichtungen gehören in Baden-Württemberg nach ihrer Kenntnis zum Islam-Dachverband DITIB?
Auf die Antworten zu den Fragen 5 und 7 wird verwiesen. Der Landesregierung liegen hierzu keine weiteren Erkenntnisse vor.
Strobl
Minister für Inneres,
Digitalisierung und Migration
Drucksache 16/503: Zusammenarbeit von Behörden mit DITIB
Drucksache 16/405: ausländische Einflussnahme auf Religionsunterricht