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Thomas Axel Palka

Ehemaliger Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg für den Wahlkreis Eppingen

Anfrage: Kosten und Herkunft unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF)

Zwischen 4.500 und 6.000 Euro monatlich werden für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling (UMF) aufgewendet. Bei aktuell 62.176 UMF können das bis zu 4,5 Milliarden pro Jahr bedeuten.

  • 150 bis 200 Euro täglich kostet ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (UMF) laut Landesregierung. Das bedeutet 4.500 bis 6.000 Euro monatlich.
  • Eine Pflegefamilie bekommt ca. die Hälfte der monatlichen Kosten. Sie kann mehrere UMF aufnehmen.
  • In Freiburg beispielsweise werden nur ca. 150 bis 165 Euro täglich bezahlt. Das bedeutet eine Pflegefamilie bekommt bei drei UMF ca. 7.000 Euro monatlich ausbezahlt. In anderen Städten könnte die Pflegefamilie 9.000 Euro monatlich bekommen.
  • Die Kosten für UMF insgesamt kann die Landesregierung nicht beziffern, da die Zuständigkeit bei den Kommunen liegt.
  • Während männliche UMF 2008 noch 46,4% ausmachten (Drucksache 15/5693), sprang die Zahl 2015 auf 71%.
  • UMF werden von der Landesregierung jetzt UMA (unbegleitete minderjährige Ausländer) genannt.
  • Pflegegeld gibt es steuerfrei (§ 3 Nr. 11 EStG).

 

Unsere Anfrage 16/1345 an die Landesregierung sollte abklären, was die Konsequenzen für die laut Presseberichten afghanische Pflegefamilie sind, die drei afghanische Minderjährige aufgenommen hat und von denen einer der Tatverdächtige der vergewaltigten und ermordeten Medizinstudentin in Freiburg ist. Die Konsequenzen benennt die Landesregierung nicht.

Gleichzeitig wollten wir wissen, ob Presseberichte über die Tagessätze stimmen. Die Badische Zeitung berichtete (online, 26. Dezember 2016), dass Tagessätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei 150 bis 165 Euro liegen, also bei mindestens 4.500 monatlich. Die Pflegefamilien bekommen laut ihren Angaben für die Aufnahme in der Regel rund die Hälfte, also 2.250 Euro und werden damit zur sogenannten Erziehungsstelle. Pflegefamilien von Nicht-Flüchtlingen hingegen erhalten laut dem Artikel nur rund 900 Euro monatlich.

Die Landesregierung bestätigte nicht nur 150 Euro, sondern sogar Tagessätze bis 200 Euro.

 


Die Fragen und Antworten im Wortlaut:

Wir forderten die Landesregierung auf zu berichten,

1. wie sich die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) in Baden-Württemberg ihres Wissens nach in Deutschland seit 2013 weiter entwickelt hat (unter Fortsetzung aller Angaben der Tabelle aus Drucksache 15/5693);

Die Zahl der Inobutnahmen wird im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfestatistik bundesweit erfasst, wobei unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer (UMA, früher als UMF bezeichnet) gesondert ausgewiesen werden. Die Zahl der Inobhutnahmen hat sich in den Jahren 2014 und 2015 bundesweit wie folgt entwickelt (Fortsetzung der Angaben in der Tabelle aus Drucksache 15/5693):

Jahr Insgesamt männlich weiblich Darunter auf Grund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland (UMA)
in Prozent insgesamt männlich weiblich
in Prozent
2014 48.059 57,0 43,0 11.642 90,3 9,7
2015 77.645 71,0 29,0 42.309 91,4 8,6

In Baden-Württemberg weist die Kinder- und Jugendhilfestatistik für die Jahre 2014 und 2015 insgesamt 1.227 bzw. 4.912 in Obhut genommene UMA aus.

Auf Grund des bundes- und landesweiten Verteilverfahrens, das zum 1. November 2015 eingeführt worden ist, liegen nunmehr neben den Angaben aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik jeweils aktuelle UMA-Bestandszahlen vor. Zum Stichtag 27. Januar 2017 haben die Jugendämter in Baden-Württemberg insgesamt 8.103 UMA bzw. volljährig gewordene UMA betreut. Bund: 62.176.

2. aus welchen Staaten jeweils wie viele minderjährige Flüchtlinge in Baden-Württemberg aktuell kommen;

Die Herkunftsländer der UMA, die von den Jugendämtern in Baden-Württemberg betreut, untergebracht und versorgt werden, werden auf Landesebene nicht umfassend statistisch erhoben. Für die im Rahmen des Verteilverfahrens beim Kommunalverband für Jugend und Soziales/Landesjugendamt erfassten UMA – also einer Teilgruppe – liegen entspre-chende Angaben vor, die in der nachstehenden Tabelle ausgewiesen sind. Dabei handelt es sich etwa um die Hälfte der von den Jugendämtern in Baden-Württemberg betreuten, untergebrachten und versorgten UMA.

Die nachstehenden Angaben beziehen sich auf den Zeitraum vom 1. November 2015 bis 1. Oktober 2016.

Herkunftsland Zahl der Personen Prozentualer Anteil
Afghanistan 1.604 38,84
Syrien 451 10,92
Somalia 449 0,87
Eritrea 396 9,59
Gambia 348 8,43
Guinea 166 4,02
Irak 115 2,78
Äthiopien 110 2,66
Marokko 53 1,28
Pakistan 49 1,19
Iran, Islamische Republik 46 1,11
Cote d`Ivoire 43 1,04
Algerien 41 0,99
Nigeria 38 0,92
Mali 35 0,85
Ägypten 20 0,48
Sierra Leone 18 0,44
Albanien 17 0,41
Ghana 16 0,39
Guinea-Bissau 15 0,36
Bangladesch 11 0,27
Libyen 11 0,27
Senegal 10 0,24

(Komplette Tabelle, mit Ländern aus denen weniger als 10 Personen kamen, in Drucksache 16/1345)

3. wie sie das von der letzten Landesregierung angesprochene „Entstehen von subkulturellen Strukturen mit eigenen sozialen Normen und Verhaltensweisen“ bei „männlichen Jugendlichen mit einem erhöhten Risiko für Straftaten“ (ebenfalls Drucksache 15/5693) zu mindern gedenkt, um Straftaten zu vermeiden;

Die Zielrichtung, eine bei spezifischen Angeboten denkbare Ghettoisierung einzelner UMA-Gruppen zu verhindern, wird durch die seit 1. November 2015 erfolgende Verteilung der UMA auf die insgesamt 46 Jugendämter im Land verwirklicht. Ein Teil der UMA wird in stationären Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe versorgt, in denen auch inländische Kinder und Jugendliche betreut werden. Schließlich werden verstärkt Pflegefamilien (Gastfamilien) in Anspruch genommen, um UMA zu betreuen. Es liegen keine Erkenntnisse vor, wonach im Bereich der UMA in Baden-Württemberg subkulturelle Strukturen entstanden sind.

4. wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge jeweils wie untergebracht sind (Gastfamilien, Einrichtungen der Diakonie, Einrichtungen kommunaler Träger, etc.);

Die Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ist nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) Aufgabe der Jugendämter. Sie nehmen diese Aufgabe im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung als weisungsfreie Pflichtangelegenheit wahr. Die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von UMA richtet sich nach den spezifischen Bedarfen im konkreten Einzelfall (Hilfeplanung).

Nach den Erhebungen des Kommunalverbands für Jugend und Soziales/Landesjugendamt wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2015 insgesamt 2.888 UMA im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in einem Heim der Jugendhilfe oder einer sonstigen betreuten Wohnform und 105 UMA in Vollzeitpflege untergebracht (sog. „Gastfamilien“). Für 57 UMA wurde eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung gewährt. Volljährig gewordene UMA, die Hilfen für junge Volljährige erhalten, sind in diesen Zahlen enthalten.

Die statistischen Angaben für das Jahr 2016 liegen derzeit noch nicht vor.

5. welcher Herkunft die aufnehmende Gastfamilie des afghanischen unbegleiteten 17-jährigen Flüchtlings ist, der des Mordes an einer Medizinstudentin in Freiburg verdächtigt wird;

6. wie lange der verdächtige Flüchtling bei der Gastfamilie untergebracht war;

7. welche (ggf. rechtlichen) Konsequenzen es für die Gastfamilie hat, außer dem Auszug der weiteren beiden UMF, wenn sie ihre Fürsorgepflicht offenbar grob fahrlässig vernachlässigt haben sollte;

Die gewünschten Informationen beziehen sich auf Sozialdaten im Sinne von § 35 Absatz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), deren Übermittlung gemäß § 61 Absatz 1 Satz 1 SGB VIII i. V. m. § 78 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) unzulässig ist.

8. wie hoch die Kosten für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling monatlich in den einzelnen Großstädten von Baden-Württemberg sind;

9. was die Gründe für größere Differenzen der Kosten der einzelnen Städte sind;

10. was sie unternimmt, damit nicht manche Städte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge deutlich mehr bezahlen als – wie andere Städte zeigen – offenbar notwendig ist.

Dem Ministerium für Soziales und Integration liegen hierzu mangels einschlägiger statistischer Erhebungen keine Angaben vor. Im Rahmen der Kostenerstattung durch das Regierungspräsidium Stuttgart nach § 89d SGB VIII erfolgen keine Auswertungen, die sich auf die pro-Kopf-Kosten von UMA in einzelnen Stadtkreisen beziehen. Solche Auswertungen wären auch nicht zielführend, weil die Einzelfallkosten neben den Aufwendungen für die Unterbringung und Betreuung weitere Kosten (z. B. für Krankenbehandlung) umfassen, die erheblich differieren. Die Kosten für die stationäre Betreuung und Unterbringung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung bewegen sich nach den uns vorliegenden Informationen zwischen kalendertäglich 150 und 200 Euro. Die Unterschiede hängen insbesondere mit dem differenzierten Leistungsprofil der stationären Einrichtungen der Jugendhilfe zusammen.

Nach einer Mitteilung des Städtetages Baden-Württemberg sind der Hilfebedarf und die Unterstützungsmaßnahmen für UMA – wie grundsätzlich in der Kinder- und Jugendhilfe – vom Einzelfall abhängig und können daher stark variieren. Die sich aus unterschiedlichen Faktoren ergebenen Fallkosten können nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden, auch ein durchschnittlicher Wert wäre nicht aussagekräftig. Ein Vergleich der akkumulierten Fallkosten einzelner Jugendhilfeträger untereinander scheint aus den genannten Gründen noch weniger machbar. Eine Datenerhebung wäre mit einem sehr hohen Verwaltungsaufwand bei den ohnehin stark in Anspruch genommen Jugendämtern verbunden.

Das Ministerium für Sozial und Integration geht davon aus, dass die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Baden-Württemberg (Landkreise, Stadtkreise, kreisangehörige Städte Konstanz und Villingen-Schwenningen) die nach dem SGB VIII zulässigen Hilfen und Leistungen rechtmäßig gewähren. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Jugendämter Leistungen für UMA erbringen, die nicht geeignet oder erforderlich sind, um den kinder- und jugendhilferechtlichen Bedarf von UMA zu decken.

Mit freundlichen Grüßen
gez.
Manfred Lucha MdL
Minister für Soziales und Integration

 

Drucksache 16/1345: Unterbringungskosten und Herkunft von UMF/UMA