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Thomas Axel Palka

Ehemaliger Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg für den Wahlkreis Eppingen

Anfrage: Erkennung von multiresistenten Erregern (MRE) in Krankenhäusern

Multiresistente Erreger (MRE) sind aufgrund ihrer Antibiotika-Resistenzen eine große Gefahr. Entsprechend wichtig ist es zu merken, wenn ein Patient mit MRE angesteckt ist. Ärzte verweisen schon seit Jahren auf Nachbarländer, die eine deutlich geringere Infektionsrate mit MRE haben, vermutlich aufgrund besserer Prävention. Meine Anfrage sollte daher Details dazu klären.

Berichte von Krankenhaus-Personal, welches sich an uns wendete, legten die Vermutung nahe, dass es Probleme beim Test auf multiresistente Erreger (MRE) gibt. Uns wurde erklärt, dass es zwei Testmöglichkeiten gibt: eine schnelle (bei einem internen Labor in einer Stunde möglich) und eine langsame (dauert mehrere Tage). Die langsame Methode ist billiger.

Es war unklar, ob der Test auf MRE von der Krankenkasse bezahlt werden muss. Die Anfrage bestätigt unseren Verdacht, dass das Krankenhaus für einen MRE-Test keine zusätzliche Vergütung erhält, sondern ihn bei Bedarf aus der Fallkostenpauschale zahlen muss.

Sofern diese Annahmen korrekt sind führt das zu mehreren Problemen. Im schlimmsten Fall werden MRE-Tests in zu wenig Fällen durchgeführt, weil sie eben das Krankenhaus selbst bezahlen muss. Ansonsten werden die Krankenhäuser bevorzugt den langsamen MRE-Test wählen werden, da dieser für sie kostengünstiger ist. Die meisten Krankenhäuser müssen massiv Kosten sparen, daher ist das nur rational und klingt auch sinnvoll.

Das Problem ist aber, dass ein Patient mit dem Verdacht auf MRE isoliert werden muss. Mehrere Tage auf ein Testergebnis zu warten (langsamer Test) ist also unglaublich nervig für den Patienten in Isolation und seine Angehörigen und es kostet gleichzeitig die Krankenkasse richtig viel Geld, denn für die Isolation wiederum muss die Krankenkasse zahlen.

Wie gesagt: unter der Annahme, dass die uns zugetragenen Berichte korrekt sind und auch unsere Schlussfolgerungen (und genau dem sollte die Anfrage auf den Grund gehen) bedeutet das, dass die Krankenhäuser (aus rationalen Gründen) die Kosten für die MRE-Tests auf die Krankenkassen abschieben. Dabei entstehen aber sehr viel höhere Kosten, weil dann zwar der Test billiger ist und das Krankenhaus somit Geld spart, die Krankenkasse aber gleichzeitig mehrere Tage Isolation bezahlen muss.

Als Beitragszahler der Krankenkasse kommt uns dieses Vorgehen sehr teuer zu stehen. Sinnvoller wäre es, wenn die Krankenkassen direkt für einen MRE-Test (den schnellen!) das Krankenhaus bezahlen. Es wäre insgesamt wesentlich günstiger und es wäre für den Patienten weniger belastend.

Wir sprechen bezüglich dieses Themas deshalb noch mal mit medizinischem Personal und überlegen dann, ob wir dazu weiter nachhaken.


Meine Anfrage:

In der Landtagsdrucksache 15/7446 wird bezüglich Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Krankenhauskeimen leider nicht von Schnelltests auf multiresistente Erreger (MRE) gesprochen.

Bereits 2011 wurde zum Beispiel auf der nordrhein-westfälischen Landesgesundheitskonferenz zur Prävention auf das Handlungskonzept von Nachbarländern wie Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen und anderen verwiesen, die eine deutlich geringere Infektionsrate mit MRE haben. „Eine Orientierung an den in den Niederlanden getroffenen Maßnahmen kann also für Deutschland hilfreich sein“, heißt es in der Entschließung der Gesundheitskonferenz (Verweis auch auf „Ärzte Zeitung“ vom 30. Dezember 2011).

Die Kleine Anfrage soll daher die aktuelle Situation in Baden-Württemberg klären.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 Nr. 5-0141.5/65 (veröffentlicht am 9. Januar 2017) beantwortet das Ministerium für Soziales und Integration meine Kleine Anfrage wie folgt:

1. Unter welchen Bedingungen werden Patienten auf multiresistente Erreger (MRE) getestet?

Bei multiresistenten Erregern (MRE) ist zu unterscheiden zwischen methicillin- bzw. multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA), multiresistenten gramnegativen Stäbchenbak-terien (MRGN) und glykopeptid-/vancomycinresistenten Enterokokken (VRE).

Für das Screening (aktive und gezielte Suche nach MRE-besiedelten Personen) von Patienten auf MRSA und MRGN hat die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut (KRINKO) Empfehlungen herausgegeben. Die Screening-Richtlinien in Krankenhäusern sind danach auf der Basis einer Risikoanalyse unter Berücksichtigung der Patientenstruktur festzulegen. Screening-Maßnahmen werden grundsätzlich empfohlen bei Patienten, bei denen ein erhöhtes Risiko für das Vorkommen von MRE vermutet wird. Hierzu zählt u.a. ein früherer Nachweis der Keimträgerschaft, Verlegungen aus Einrichtungen in Ländern mit hohem MRE-Vorkommen oder aus Einrichtungen in Deutschland mit bekannt hohem Vorkommen von MRE sowie Kontakt zu entsprechenden Keimträgern während eines stationären Aufenthaltes (z.B. bei Unterbringung im gleichen Zimmer). Zusätzliche Kriterien für ein MRSA-Screening sind chronische Wunden oder Ekzeme, liegende Katheter und eine berufliche Anamnese (Veterinäre, Tiermast). Zusätzlich Kriterien für ein VRE-Screening sind Durchfallerkrankungen und die Gabe von immunsuppressiven Medikamenten.

Bei sogenannten elektiven oder Wahl-Operationen wird in Bezug auf MRSA ein Screening vor Aufnahme in ein Krankenhaus und gegebenenfalls die Durchführung einer Sanierung mit dem Ziel der Eradikation der Keimbesiedlung empfohlen.

2. Gibt es Vorschriften, nach denen der Test auf MRE zwingend ist?

Nach § 23 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erstellt die KRINKO Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen, die als aktueller Stand der Wissenschaft gelten und unter anderem konkrete Vorgaben zum Screening beinhalten.

Unter Berücksichtigung der KRINKO-Empfehlungen hat die Krankenhausleitung nach § 23 Abs. 3 IfSG sicherzustellen, dass die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, ins-besondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden. Sie hat sachgerechte Schlussfolgerun-gen hinsichtlich erforderlicher Präventionsmaßnahmen zu ziehen und sicherzustellen, dass diese dem Personal mitgeteilt und umgesetzt werden (§ 23 Abs. 4 IfSG).

Des Weiteren ergibt sich das Erfordernis zum Screening aus den Vorgaben der baden-württembergischen Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (MedHygVO) vom 20. Juli 2012, nach der die Leitungen von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen verpflichtet sind, alle erforderlichen Maßnahmen zur Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu ergreifen (§ 2 Abs. 1). Nach § 10 Abs. 1 Med-HygVO hat die Krankenhausleitung sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten, von denen ein Risiko für nosokomiale Infektionen ausgeht, frühzeitig erkannt und Schutzmaßnahmen eingeleitet werden.

3. Welche Testmöglichkeiten auf MRE gibt es (unter Angabe der jeweiligen Vor- und Nachteile)?

MRE können durch gezielte kulturelle Untersuchung, d. h. durch Anzucht in Selektivmedien, oder durch molekularbiologische Verfahren (Polymerase-Kettenreaktion (PCR)) nachgewiesen werden. Letztere sind in der Regel teurer, liefern aber schnellere Ergebnisse. Um jedoch durchaus mögliche, falsch positive Resultate der PCR auszuschließen, ist bei positivem Ergebnis eine Bestätigung durch die Kulturmethode mit zumeist biochemischer Identifizierung notwendig. Die Kultur ist dann ohnehin zur Bestimmung des genauen antibiotischen Resistenzspektrums erforderlich (auch wenn Resistenzgene mit zusätzlicher PCR nachweisbar sind), gegebenenfalls auch zur Bestätigung der Stammidentität. Ein weiteres Verfahren – die MALDI-TOF-Massenspektrometrie – ist aus methodischen und Kostengründen noch nicht flächendeckend im Einsatz.

4. Welche Kosten entstehen für die jeweiligen Testmöglichkeiten?

Wenn das Krankenhaus die Untersuchungen im eigenen Labor durchführt, entstehen nach Listenpreisen an Reagenzkosten Beträge von ca. 15 – 25 € für die PCR, ca. 1 – 2 € für die Kultur, ca. 6 € für die Keimidentifizierung und ca. 5 – 7 € für das Antibiogramm.

Werden die Proben an ein Dienstleistungslabor versandt – hier mit Berücksichtigung von Versand-, Personal- und Betriebskosten – so werden für eine PCR zwischen 30 und 40 €, für eine Multiplex-PCR (zum Nachweis mehrerer verschiedener Resistenzgene) ca. 80 €, für eine negative Selektivkultur 10 bis 20 € und für eine positive Selektivkultur 10 bis 20 € plus zusätzliche 20 € für die Identifizierung und das Antibiogramm berechnet.

5. Welche Art von Test wird in der Regel eingesetzt?

Die kulturelle Anzucht wird häufiger eingesetzt, weil sie das Vorhandensein eines vermehrungs- und ausbreitungsfähigen Erregers bestätigt, und da sie bei positiver PCR ohnehin noch zusätzlich indiziert ist.

6. Wer trägt die Kosten eines MRE-Tests?

Im Bereich der stationären Krankenhausversorgung richtet sich die Vergütung der Leistungen nach den DRG-Fallpauschalen (diagnosebezogenen Fallgruppen). Bei der Kostenkalkulation der DRG-Fallpauschalen sind Screening-Untersuchungen in dem Umfang berücksichtigt, in dem die sogenannten Kalkulationskrankenhäuser Screening-Untersuchungen durchführen. Eine gesonderte Vergütung für einzelne Leistungen oder Leistungskomponenten gibt es im DRG-System nicht.

Die Kostenübernahme eines prästationären Screenings und von möglichen prästationären Eradikationsmaßnahmen ist in der ambulanten Versorgung nur für MRSA vorgesehen. Voraussetzung hierfür ist, dass der behandelnde Arzt durch entsprechende Fortbildungen über ein“MRSA-Zertifikat“ verfügt.

7. Wieso gibt es keine verbindlichen Vorschriften zum Umgang mit MRE, sondern jedes Krankenhaus entscheidet, gegebenenfalls basierend auf Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, unterschiedlich?

Die KRINKO-Empfehlungen stellen grundsätzlich die Grundlage für das Hygienemanagement in medizinischen Einrichtungen dar. Auf der Basis einer Risikoanalyse können jedoch einzelne Maßnahmen angepasst und modifiziert werden. Berücksichtigt werden dabei Risikofaktoren, die der Patient selbst mit einbringt und die das Ausmaß seiner Besiedelung und die davon ausgehende Gefahr der Keimstreuung und Weiterverbreitung unmittelbar beeinflussen. Dazu gehören z. B. Alter, Art der Erkrankung, Lokalisation der Besiedelung, sog. Devices wie Venen- oder Blasenkatheter, Sonden und Stomata, Wundinfektionen, Inkontinenz und Demenzerkrankung. Eine weitere Rolle spielen die Umgebung, in der er untergebracht ist (Normal- oder Intensivstation, Dialyseabteilung, Rehabilitationskrankenhaus, Psychiatrie, Tagesklinik usw., gegebenenfalls auch das Verhalten der Besucher), oder ob eine Ausbruchssituation vorliegt. Zum Teil kann eine Barriere-Pflege ohne Isolation im Einzelzimmer zur Prävention ausreichen. In anderen Fällen können auch strikte Isoliermaßnahmen verfügt werden, die über das für die Besiedelung mit einem bestimmten Keim übliche Maß hinausgehen.

Voraussetzung für eine Modifizierung des Hygienemanagements ist die Absprache mit der hauseigenen Hygienefachkraft, dem beratenden Krankenhaushygieniker und in speziellen Fällen dem Gesundheitsamt. Dieses kann im Rahmen seiner Aufsicht als unzureichend eingeschätzte Maßnahmen jederzeit ändern lassen.

8. Wie viele Menschen sind in Baden-Württemberg in den letzten fünf Jahren (aufgeschlüsselt nach Jahren) an MRE erkrankt und in wie vielen Fällen endete die Erkrankung tödlich?

In den Jahren 2011 bis 2016 (Stand: 05.12.2016) wurden insgesamt 1.249 Fälle invasiver Infektionen durch MRSA in Baden-Württemberg registriert, davon 102 Todesfälle (8 %), welche als direkte Folge einer solchen invasiven MRSA-Infektion eingeordnet wurden. Die Inzidenzen sind seit 2013 rückläufig (siehe Abbildung 1). Im Jahr 2016 liegt die Neuerkrankungsrate bislang bei 1,4 Fällen pro 100.000 Einwohner (Stand: 05.12.2016).

Die altersspezifische Inzidenz übermittelter invasiver MRSA-Infektionen steigt, Kinder im ersten Lebensjahr ausgenommen, mit zunehmendem Alter an. Im Jahr 2015 erreichte die altersspezifische Inzidenz mit sieben Fällen auf 100.000 Einwohnern ihren Gipfel in der Altersgruppe der über Siebzigjährigen.

Im Rahmen der am 1. Mai 2016 in Kraft getretenen Verordnung zur Anpassung der Melde-pflichten nach dem Infektionsschutzgesetz an die epidemische Lage (IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung) wurde die Meldepflicht für MRGN eingeführt. Die Meldepflicht betrifft den Nachweis einer Infektion oder einer Besiedelung (Kolonisation). Bislang wurden im Rahmen dieser neu eingeführten Meldepflicht 304 Infektionen bzw. Kolonisationen aus Baden-Württemberg übermittelt. Die Datenqualität ist eingeschränkt aufgrund der erst seit Mai bestehenden Meldepflicht und der bislang noch nicht zur Verfügung stehenden Spezifikationen in der Meldesoftware der Gesundheitsämter in Baden-Württemberg. Durch die geplante Aktualisierung der Meldesoftware werden jedoch in naher Zukunft valide Datensätze zur Verfügung stehen.

Mit freundlichen Grüßen
gez.
Manfred Lucha MdL

Drucksache 16/1031: Erkennung von multiresistenten Erregern in Krankenhäusern
Ganz aktuell verursacht beispielsweise in Stuttgart ein hochresistenter Keim Probleme. Das verdeutlicht noch mal die Wichtigkeit unserer Anfrage und des Anliegens.